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Savatie Bastovoi; Der Teufel ist politisch korrekt
Starke Motive. Umsetzung Mangelhaft.
Postmoderne Phänomene, wie Selbstentfremdung, Ideologisierung und Nihilismus oder etwas konkreter Zerstörung der Familie, Todeskult und Glorifizierung von Pathologie und andere Themen bieten ein spektakuläres Sammelsurium an Motiven für einen dystopischen Roman. Auch eignet sich eine zynische Betrachtungsweise hervorragend, um mit dieser Realität zurecht zu kommen. Potential ist also entschieden vorhanden, weswegen ich mir auch das Buch besorgt habe. Auch sprachlich kann das Buch punkten und der Inhalt ist nicht unnötig aufgebläht, sondern durchaus pointiert.
Leider liefert Bastovoi einen Betrachtungswinkel, der einer klischeehaft stumpfsinnigen Betrachtung eines einfältigen Geistigen widerspiegelt und dabei in der Auseinandersetzung mit grotesken Strohmännern an den eigentlichen Themen vorbei schreibt und so inkongruente Narrative schafft, die unglaubwürdig und komisch wirken. Daher kann ich dieses Buch nicht empfehlen.
A.M. Berger: Aus dem Archiv der Universität Thurikon
<<Pass auf, was du dir wünscht>>, <<"Er sucht etwas, von dem Gott nicht will, dass es gefunden wird!“ – Max Payne (Movie)>>, <<Das Oppenheimermotiv>>, <<Der Preis der Erkenntnis>>
Diese vier Losungen wären wohl als Anreißer geeignet, um das Konzept der vier Kurzgeschichten in diesem Band zu umschreiben, welches durchaus aufgeht und auch sprachlich versiert daherkommt.
Als Wehrmutstropfen könnte man manche Passagen ausmachen, die belanglos wirken und die etwas trockene Beschreibung dramatischer Szenerien, was beides allerdings Geschmackssache ist. Nicht jeder ist versessen wie ich auf pointierte Plots und Theatralik, manche stören sich eher daran. Dabei habe ich es immerhin durchaus mit Genuss gelesen und kann mich an wesentlich exzessivere Entgleisungen in die Richtung, teils von renommierten Autoren erinnern. Am besten hat mir die letzte, auch kürzeste Geschichte gefallen (Polybius), die mich etwas an die Horrorschocker von Sascha Dinse erinnert hat, obwohl es sich hier freilich um ein anderes Genre handelt, welches vom Autor als „Weird Fiction“ eingeordnet wurde. Das Buch ist H.P Lovecraft gewidmet.
Abschließend will ich noch erwähnen, dass dieses Buch mich aus Gründen, die ich persönlich halten möchte, abführend radikalisiert hat.
Ray Bradbury: Fahrenheit 451
Dieses Buch wurde mir als in einer Liga mit ‚1984‘ von Orwell und ‚Schöne neue Welt‘ von Huxley empfohlen. Daher war meine Erwartungshaltung relativ hoch. Es ist schwer hier den Vergleich zu wagen, denn wie auch zwischen den beiden wesentlich bekannteren Autoren ein gewaltiger stilistischer Unterschied herrscht, so gelingt es auch Bradbury seinen eigenen Stil zu etablieren, womit er sich schon einmal emanzipiert und in Stellung bringt. Sprachlich lege ich mich ohne zu zögern fest, sticht er die Konkurrenz aus. Seine epische Bildsprach, die exakt den richtigen Anteil an Theatralik und Symbolik enthält sucht fraglos ihresgleichen.
Die enthaltene Gesellschaftskritik wirkt, wie erwartet sehr aktuell und regt zum Nachdenken an. Dabei sind die Motive einfach gehalten, aber meisterlich verwandelt, wobei so manche Vorstellung retrospektiv betrachtet, etwas ulkig wirkt, was ich jedoch nicht als besonders störend empfunden habe. Vom Umfang her ist das Werk sehr kompakt, wesentlich kürzer als die anderen beiden erwähnten Dystopien, was seine Kehrseite darin hat, dass das geschlossene Ende m.E. etwas abrupt herbeigeführt wird. Hier hätte der Autor eventuell mit einem offenen Ende mehr Eleganz hinbekommen, welches allerdings auch bei vielen Lesern nicht ganz umsonst eher verhasst ist, aus offenkundigen Gründen. Aber ich denke, Bradbury hätte das trotzdem gut hinbekommen.
Insgesamt kann Bradbury bei den Großen mitspielen. Empfohlen für jeden, der gerne klassische Dystopien liest.
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Paulo Coelho: Der fünfte Berg
Für den modernen Geist ist es schwierig, Erzählungen, die auf Mythe aus dem alten Testament beruhen sinnvoll zu verarbeiten und sich das Gottesbild zugänglich zu machen, denn man hat zunächst möglicherweise eben das Gefühl, dass religiöse Pathologien des Christentums, wie seine Dogmen oder Androzentrismus unreflektiert reproduziert werden. So ging es mir jedenfalls. Wenn man jedoch den Schatten der eigenen Arroganz, Selbstgerechtigkeit und Zynik unserer Zeit überwinden kann, eröffnet sich eine sehr konstruktive Perspektive, die prägende Eigenschaften mit sich bringt. So hat mir dieses Buch die Tiefgründigkeit christlicher Eschatologie etwas nähergebracht. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob es ohne die Aufgeschlossenheit gelungen wäre, die ich u.a. durch die epischen Vorlesungen zum Thema von Dr. Jordan B. Peterson, die er auch auf youtube veröffentlicht hat, entwickelt habe. Empfehlen kann ich das Buch folglich nur denen, die von ihrer Persönlichkeit her bereit sind, sich auf eine idealistische Betrachtung christlicher Mystik einzulassen.
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Friedrich Dürrenmatt: Der Besuch der alten Dame
Auch in diesem Stück spielt Dürrenmatt in komischer Art und Weise mit menschlichen Abgründen und lässt dabei noch vielfältigen Spielraum für Interpretationen an der ein oder anderen Stelle. Ein sehr anregendes Drama.
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker
Ich habe diesen 1962 als Komödie uraufgeführten Klassiker erst 2023 gelesen und er passt, wie es sich ergibt, perfekt in das aktuelle Zeitgeschehen, da er sich um das Thema Identität dreht und diese auf recht komische Weise mit Pathologien in Verbindung bringt (Schauplatz des Geschehens ist ein Irrenhaus). Da fällt es fast schon schwer, mit Hinblick auf die aktuell in Politik, Kultur und Gesellschaft randalierenden Ideologien und während gerade im Kino Barbie (2023) und Oppenheimer parallel laufen, nicht die ein oder andere Parallele zu erkennen.
Auch davon abgesehen ließt sich der Text leicht und unterhaltsam. Der tragische Plot geht sehr gut auf und die Lektüre ist sehr prägnant ohne überflüssige Nebendialoge, wodurch auch der Umfang kompakt gehalten wird. Da gibt es meines Ermessens nach nichts zu beanstanden.
Die Abscheu so mancher Schüler gegen dieses als Schullektüre beliebte Werk, welches mir seinerzeit entgangen ist, kann ich daher in Anbetracht dessen, dass sie stattdessen auch mit Goethe und Schiller „gequält“ werden könnten nur wenig nachvollziehen.
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Hermann Hesse: Demian
"Der Vogel kämpft sich aus dem Ei." Hermann Hesse ist ein Autor mit der Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden und so Werke zu schaffen, die stets einen neuen, ganz eigentümlichen Charakter aufweisen. Mit Demian ist ihm ein weltliterarischer Erfolg gelungen, der meines Ermessens nach in derselben Liga anzusiedeln ist, wie Siddharta oder der Steppenwolf. Die Geschichte von Sinclair ist nicht nur bereits oberflächlich betrachtet mitreißend erzählt, sondern es werden zusätzlich hintergründig Themen wie die Adoleszenz (als coming-off-age im eigentlichen Sinn würde ich es jedoch nicht betrachten), Persönlichkeitsentwicklung, Selbsterkenntnis, Numinosität und mythologische Symbolik in eine mitreißende Erzählung integriert und dadurch ein metaphysisches Spektakel geschaffen.
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C.S. Lewis : Die Tür auf der Wiese
„Die Tür auf der Wiese“ ist vordergründig eine Fabel, mit der C.S. Lewis seine ausgezeichnete Fähigkeit unter Beweis stellt, fantastische Welten authentisch zu erschaffen und auch wieder zu zerstören. Stilistisch hochwertig, kompakt und nicht zu ausschweifend, für ein Publikum ab 10 Jahren empfohlen.
Hintergründig geht es in erster Linie um Autorität, Tyrannei und Macht. Darüber hinaus läuft der Autor gerade im Finale der Erzählung, welches gleichzeitig auch das Finale der gesamten Reihe darstellt zur literarischen Höchstform auf und kreiert, scheinbar ganz mühelos ein metaphysisches Spektakel, dass mit zusätzlichen Motiven äußerst tiefgründiger und abstrakter Art bestückt ist.
Fantastische Literatur, die zum Nachdenken anregt und nicht nur für Kinder geeignet ist. Zur Unterhaltung passend und nicht zu zeitaufwendig, da prägnant strukturiert.
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Heinrich Mann: Der Untertan
Ich habe dieses Buch nur bis Seite 42 gelesen und dann abgebrochen, weil es mir nicht gefallen hat. Zu belanglos und langweilig kam mir die Handlung bis dahin vor und es entstand bei mir der Eindruck, dass es während der knapp 500 Seiten nicht oder nicht maßgeblich ändern würde. Darüber hinaus wurden Nebencharaktere nicht gründlich genug eingeführt, sodass ich sie nicht einordnen konnte und so Kontext verloren ging. Vielleicht habe ich auch nicht gründlich genug gelesen, aber ich bin der Meinung, dass Unterhaltungsliteratur auch als Bettlektüre geeignet sein sollte. Auch bin ich verwöhnt, da ich jüngst Demian von H. Hesse gelesen hatte, wodurch ich entsprechend hohe Erwartungen an ein Werk hatte, das derart bekannt ist und der Weltliteratur zugeordnet wird. Mag sein, dass die Profilierung des Protagonisten gut gelingt und die Vorlage für einen Prototypen liefert. Das allein genügt mir aber nicht.
Haruki Murakami: Der Elefant verschwindet
Ich habe dieses Buch etwa bis zur Hälfte gelesen und dann abgebrochen, weil ich es öde fand. Die Geschichten sind angenehm lesbar und stilistisch versiert, lassen aber irgendwie jede Pointe vermissen. Vergeblich war ich auf der Suche nach tiefergehenden Motiven hinter den Erzählungen, von denen solche Geschichten normalerweise leben und so wirkten auch die Wendungen irgendwie verloren und blödsinnig und aufregende Elemente, die durchaus gegeben sind wirken selbstzweckorientiert. Vielleicht ist mir auch etwas entgangen, aber so ziehe ich als Fazit: Klischeehaft oberflächliche Mainstreamliteratur mit viel sprachlicher Ästhetik, aber ohne lebendiges Motiv.
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George Orwell: Farm der Tiere
Zu diesem Werk gibt es nicht viele Worte zu verlieren. Es handelt sich einfach um eine perfekte Parabel auf den Sowjetkommunismus. Kompakt, leicht verständlich, anschaulich und lebendig erzählt Selbst der Zynismus des menschenverachtenden Systems kommt gut und für jeden verständlich rüber. Ein Buch, um den Wahnsinn des Kommunismus zu heilen. Das Nachwort des Autors zur Causa der Meinungs- und Pressefreiheit wirkt in 2013 nach wie vor erfrischend aktuell und verweist auf die beständige Bedrohung einer liberalen Gesellschaft.
George Orwell: Der Weg nach Wigan Pier
George Orwell ist weltbekannt für seine dystopischen Visionen, die er 1945 in „Farm der Tiere“ und 1949 in seinem bekanntesten Werk „1984“ veröffentlicht wurden. Da ich nicht wusste, was mich erwartet, war ich von diesem Buch etwas überrascht, denn es enthält abgesehen von ideologischen Narrativen keine Fiktion.
Dabei ist das Werk in zwei Teile aufgeteilt, von denen der erste ein relativ ausgedehnter und detaillierter Zeitzeugenbericht über die Lebensumstände der Arbeiterklasse Anfang des 20. Jahrhunderts ist. Der zweite Teil ist eine Art sozialistisches Manifest, das aus heutiger Sicht etwas schlecht gealtert wirkt, aber recht gut die Auseinandersetzung eines intellektuellen Geistes mit politischen Dogmen seiner Zeit abbildet. Aufbauend auf falschen, marxistischen Prämissen, die in neuen Formen auch die heutige Politik wieder prägen, versucht der Autor auf eine grauenhaft schöne Weise sein Weltbild geradezurücken. Der Onlinepopkultur/Memekultur unserer Zeit folgende würde man wohl von „Cope and Seethe sprechen“ Je mehr er auf den Sozialismus behaart, desto deutlicher tritt zwischen den Zeilen zu Tage, dass er sich unbewusst bereits mit der Realität zu konfrontieren versucht. Alles daran ist absolut authentisch und zeigt gut den ideologischen Algorithmus, den ich als Spiel gegen sich selbst bezeichnet habe. Orwell beschreibt seine Perspektive gut zugänglich und regt zum Nachdenken an, auch wenn er sich einer Ideologie nicht erwehren kann. Wer kann das schon?
„Es kann einer in guten Treuen der Überzeugung sein, daß er keine religiösen Ideen habe. Aber niemand kann dermaßen aus der Menschheit herausfallen, daß er keine dominie-rende représentation collective mehr hätte. Gerade sein Materialismus, Atheismus, Kommunismus, Sozialismus, Liberalismus, Intellektualismus, Existenzialismus, usw., zeugt gegen seine Harmlosigkeit. Er ist irgendwo so oder so, laut oder leise, von einer übergeordneten Idee besessen.“ – C.G.Jung
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Robert Shea und Robert A. Wilson: Illuminatus - Das Auge in der Pyramide
<<Ein Buch für jedermann, der einen intellektuellen Spaß erster Güte erleben will.>> - BAYERISCHER RUNDFUNK
Das steht auf dem rückseitigen Cover dieser Ausgabe. Nach den intellektuellen Inhalten suche ich vergeblich, aber vielleicht habe ich mir auch nur eingebildet das beurteilen zu können. Ein durchaus weit verbreitetes Phänomen („Many such cases“ – Donald J. Trump). Oder soll damit die politische Neurose angedeutet werden, an der sich ganz nebenbei abgearbeitet wird? Wahrscheinlicher aber ist wohl, dass die vom Bayerischen Rundfunk auch was von dem guten Stoff abbekommen haben, den die Autoren offenbar regelmäßig und ausgiebig konsumieren.
Apropos Phänomen: Die Fülle an schizophrenen Motiven, die einem (mir zumindest) absolut geläufig vorkommen, da sie im öffentlichen Raum immer wieder auf vielfältige Weise reproduziert werden, ist durchaus beachtlich.
Wird von diesem Buch eine stringente Erzählung mit klassischem Aufbau erwartet muss leider enttäuscht werden.
Ich kann dieses Buch dennoch, auch trotz seiner konfusen Inhalte in gewisser Weise empfehlen, da es völlig geisteskrank ist, sprachlich punkten kann und einen schrägen Stil und Humor aufweist, der mal recht stumpf, an anderen Stellen jedoch durchaus etwas tiefgründiger daherkommt.
" Wonach die Illuminaten auch immer trachteten, es war niemals vollendet worden...[sic!] Der Beweis: Hätten sie es jemals vollendet, würden sie längst nicht mehr im Geheimen konspirieren."
Robert Louis Stevenson: Dr. Jekyll und Mr. Hyd
Am Anfang habe ich ein wenig gebraucht, um reinzukommen, aber von da an las sich das insgesamt recht kompakte Werk ganz rund und mit Freude, und das obwohl die allgemeinhin bekannte metaphorische Verwendung des Titels natürlich die Pointe des Hauptplots im gewissen Maße vorwegnimmt. Dabei findet der Autor einen geschickten Weg, nicht nur die Spannung, sondern v.a. auch das Motiv in seiner Mächtigkeit aufzubauen. Zum Grundmotiv ist mir schließlich noch jenes Zitat von Alexander Solschenizyn in den Sinn gekommen, welches man auch als Paraphrase hierzu betrachten und, wie auf S. 83 erwähnt als Grundzug der Menschheit ansehen kann: „Aber der Strich, der das Gute vom Bösen trennt, durchkreuzt das Herz eines jeden Menschen. Und wer mag von seinem Herzen ein Stück vernichten?" - Alexander Solschenizyn (Der Archipel Gulag)
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